EIN VOLKSFEIND von Henrik Ibsen
137 Jahre nach der Uraufführung politisch frisch wie nix – hier einige Stichworte zur ewig-aktuellen dramatischen Erbauung: Entscheidungsträger. Gesundheit. Kontamination. Aufklärung. Ausgrenzung. Heilbad. Fanatismus. Durchökonomisierung. Touristifikation. Einfluß. Krankheit. Sumpf. Allgemeinheit. Zustimmung. Bürger. Presse. Prosperität. Zweifel. Öffentlichkeit. Mehrheit. Recht. Honoratioren. Kurbad. Alleinstellungsmerkmal. Masse. Wahrheit. Intoleranz. Sozial. BURN OUT. F20-F29.
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DER GRÖSSTE FEIND DER WAHRHEIT
Manchmal liegt man falsch. Sowas kann passieren – und manchmal soll es passieren, zumindest, wenn es nach den Obrigkeiten geht, denen manche Wahrheiten oft nicht in den Kram passen. Das muss der Kurarzt Thomas Stockmann (in Höchstform: Adriano Henseler) schmerzlich erkennen in Henrik Ibsens Stück „Ein Volksfeind“, das am Würzburger Theater Ensemble Premiere hatte.
Der Arzt hat herausgefunden, dass das Kurbad, als Goldgrube für die Stadt konzipiert, verseucht ist. Aber: Die Öffentlichkeit will das nicht hören und ihm den Mund verbieten – die „Öffentlichkeit“, das ist vor allem sein Bruder, der korrupte Bürgermeister (Michael Jansky), der nach und nach alle „für das Gemeinwohl“ auf seine Seite zieht und schließlich auch die Presse (als Redakteurin Hovstad: Franziska Wirth) zu seinen Gunsten manipuliert. Stockmann kann das nicht akzeptieren – auch wenn selbst der Rückhalt seiner Frau Käthe (Jenny Greenflower) oder der sonst emanzipierten Tochter Petra (Vanessa Straßer) immer mehr schwindet.
TRANSFER IN DIE NEUZEIT
Vor 136 Jahren uraufgeführt, hat Ibsens Stück auch in der Inszenierung von Andreas Büettner und Karolin Benker seine Bedeutung nicht verloren – im Gegenteil: Seine Aktualität wird dank des gelungenen Tranfers in die Neuzeit – Genderdiskussion, Livestreams und Facebook-Kommentare inklusive –schmerzhaft bewusst.
„Der größte Feind der Wahrheit ist die Mehrheit“, sinniert Stockmann im dritten Akt – und die ist auch heute mit Hasskommentaren immer noch oft nicht bereit, die Dinge zu hinterfragen. Lieber wird pauschal verurteilt.
Büettner/Benker zeigen den „Volksfeind“ Stockmann in kammerspielartiger Bürokulisse, das Umherrollen der Stühle bietet die einzige Dynamik der Handlung – neben den Dialogen. Die sind stark und ziehen vor allem dank des charismatischen Hauptdarstellers das Publikum in Bann. Wenn Henseler mit funkelnden Augen „Was ich tue, tue ich im Namen der Wahrheit und des Gewissens“ brüllt, zweifelt keiner mehr daran, dass er sofort mit Stockmann in den Krieg „gegen die Schweinewirtschaft der Eliten“ ziehen würde.
Bittere Botschaft dieses Theaterabends: Die Welt hat sich nicht einen Funken geändert.
MainPost, Februar 2019, Kristina Deininger