Dantons Tod
„Dieser Büchner war ein toller Hund. Nach kaum 23 oder 24 Jahren verzichtete er auf weitere Existenz und starb. Es scheint, die Sache war ihm zu dumm. Das war damals eine Epoche finsterster und dumpfester Reaktion, in die er hineingeboren wurde. […] Büchner, das war ein Revolutionär vom reinsten Wasser.“ – Alfred Döblin (1921)
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Theater-Chef, Regisseur, Produzent
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MainPost - Kristina Deininger
En Klassiker steht im noch jungen Jahr auf dem Spielplan des Theater Ensemble in Würzburg: Dantons Tod von Georg Büchner. Tatsächlich ein Stück, das lange als „unspielbar“ galt. Jetzt hat sich also das Ensemble in der Frankfurter Straße dem Werk über die sich gegenüberstehenden Revoluzzer Robespierre und Danton angenommen – aber wer von Regisseur Andreas Büettner hier eine klassische Inszenierung vor dem Hintergrund der Französischen Revolution erwartet, wird enttäuscht.
Oder vielmehr überrascht – denn schon auf dem Rollenplan, der dem Premierenpublikum ausgeteilt wurde, steht es schwarz auf weiß: Bitte lassen Sie sich nicht verwirren oder wundern Sie sich nicht – oder vielmehr: Lassen Sie sich verwirren und wundern Sie sich!
Es gibt keine Rollen in dieser Inszenierung, keine gradlinige Geschichte: Büettner und seine vierzehn Akteure lassen den Text leben, inszenieren die starken Worte Büchners in einzelnen, für sich stehenden Szenenbildern. Die Kostüme: Von Punk über Boheme bis Barock alles dabei. Die Musik dazwischen: Von Elektro übers Volkslied bis hin zum Chanson und zur Percussion-Improvisation immer wieder überraschend. Die Schauspieler: Eindringlich, allen voran Thomas Schröter, Jarno Riefer, Edith Saldanha und Paula Gomez, die als stummer Clown die starken Worte des Urtextes pantomimisch untermalt.
Der Text steht über allem: Danton, Robespierre, Camille, Marion – die Figuren verschwinden vor der Botschaft: „Die Welt ist das Chaos, und das Nichts ist der zu gebärende Weltgott.“
Es ist eine kraftvolle Inszenierung, ein gewaltiges Ensemblestück – das seinem Publikum allerdings so einiges an Konzentration abverlangt. Denn wo alles offen ist, ist es schwer, Halt zu finden. Spannungsaufbau sucht man vergebens, was bleibt, ist ein greller Eindruck von Revolution und die Erkenntnis Büchners, dass wir alle letztendlich nur „„Puppen sind, von unbekannten Gewalten an Draht gezogen“.
Simon Hörnig
Pause? Die Lichter gehen an, aber das Publikum ist sich unsicher: „Wenn ich ehrlich bin, ich weiß es nicht“ tönt es rechts von mir.
Gleiches kann ich in diesem Moment über das Dargebotene sagen, also erst einmal einen Blick auf den im Foyer ausliegenden Orientierungsflyer werfen:
„Werte Zuschauerinnen, werte Zuschauer […] bitte wundern Sie sich!“
Na denn, alles im grünen Bereich. Im weiteren Verlauf wird dann auch deutlich, dass Verwirrung in der Natur dieser Neuinszenierung von „Dantons Tod“ liegt. Andreas Büettner verfolgt einen kompromisslosen Weg der Dekonstruktion von Büchners Vierakter. Dient das Element des Dialogs dem Autor als ein mehr oder minder notdürftiges Hilfsmittel zur Verknüpfung großer dogmatischer Reden zum Volk, verzichtet Büettner schlicht auf dergleichen Tand und transformiert das Stück in eine Reihe von Monologen.
Irritierenderweise verhält es sich mit diesen jedoch ganz anders als es der klassische Monolog gebietet, indem durch unterschiedlichstes Störfeuer vonseiten parallel agierender Personen, zunehmend schriller werdender Kostümierung und musikalische Intermezzi der Text selbst konsequent in den Hintergrund gedrängt bzw. der Zuschauer davon abgelenkt wird.
Übrig bleibt, frei nach Eduard Dullers Untertitel zur Erstveröffentlichung von 1835: „Dramatische Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft“, eine Galerie von lebenden, sprechenden Gemälden oder besser: Karikaturen.
Essentiell dafür, diesen Weg konsequent verfolgen zu können, ist ein souverän und selbstbewusst agierendes Ensemble, welches im Kontrast zum inszenierten Irrsinn stoisch und dem Rhythmus des jeweiligen Arrangements folgend Büchners Rollen verkörpert. Mit Edith Saldanha, Jarno Riefer und Thomas Schröter als schauspielerischen Vorreitern und dem geschickten in Szene setzen aller übrigen Akteure anhand jeweiliger Talente gelingt dieses ambitionierte Experiment, bedarf jedoch des Willens eines mündigen Publikums, sich auf diese radikale Methode einzulassen.