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DER IDIOT von Dostojewski

  1. „Denn unter anderem war Dostojewski–dieser Gekreuzigte–ein ganz großer Humorist!“
    (Thomas Mann)

Dostojewski selbst schöpfte seine Inspiration zu seinem Werk auch aus seinem eigenen Leben. Ebenfalls an Epilepsie leidend, wurde er nach ersten Erfolgen als Schriftsteller wegen Verschwörungsverdacht verhaftet, zum Tode verurteilt und unmittelbar vor der Hinrichtung begnadigt. Er verbrachte vier Jahre im Straflager, fand Zugang zum christlichen Glauben, unternahm Reisen durch Europa und wurde spielsüchtig. Liebe, Trauer, Schaffensdrang und Verzweiflung begleiteten seine Karriere.
Die Geschichte des Fürsten Myschkin, der sein Schweizer Refugium verlässt und in die Petersburger Gesellschaft gerät, zählt zu den Werken der Weltliteratur. Seiner Epilepsie wegen „der Idiot“ genannt, erblickt der Protagonist in seiner naiven, unkonventionellen Art die Menschen in ihren persönlichen und sozialen Spannungen und Widersprüchen und ihrem daraus resultierenden Leid.
Der Roman „Der Idiot“ feiert 2018 seit seiner Erscheinung 1868 bereits 150jähriges Jubiläum aber, die in ihm aufgeworfenen Fragen bleiben immer noch hochaktuell, vielleicht sogar zeitlos.

In der für die Bühne bearbeiteten Fassung (Michael Wagner) wird vor allem einer Frage in schaurig-witziger Weise nachgegangen: Würde ein wiedergeborener Christus in unserer quasi heutigen Zeit mit seiner Lehre der Nächstenliebe bei den Menschen auf Verständnis stoßen, jetzt da das Evangelium allgemein bekannt ist, oder würde man ihn abermals ans Kreuz nageln? Falls Letzteres zutrifft, warum? Kann es sein, dass eine zeitweise dekadente Kirchenpolitik einen allgemeinen Nihilismus provoziert hat, durch den sich gewisse unmoralische, egoistische Werte der modernen Gesellschaft erklären ließen? Eine Gesellschaft, in der viele tendenziell lieber in die eigene Tasche wirtschaften als zum Beispiel Flüchtlingen aus Krisengebieten die Chance auf ein würdevolles Leben zu gönnen? Oder ist die von Gott gebotene Nächstenliebe einfach zu anstrengend für den Menschen? Wer würde sich schon für die Dummheiten seiner Mitmenschen ans Kreuz nageln lassen? Man muss schon ein Idiot sein, wenn schon kein Heiliger.
Vielleicht aber ist das Ganze nur ein tragisches Missverständnis, eine Begriffsverwirrung bezüglich der vielen Bedeutungen des großen Wortes: „LIEBE“? Waren nicht die alten Griechen schon weiter, da sie zumindest „Eros“ von „Agape“ zu trennen wussten?

Gleich einer antiken griechischen Tragödie wird die Erde wieder zu einem Schauplatz der Interessen der Urgewalten, nur wirkt hier schicksalhaft die christliche Mythologie: Rogoshin ist in diesem Stück nicht mehr wie im Roman nur der leidenschaftliche Liebhaber, der aus Eifersucht mordet, er nimmt unter der Oberfläche vielmehr die Ausmaße des Gegenspielers Gottes an.

Übersetzung: Hermann Röhl

 

Künstlerische Leitung

Michael Wagner
Regie
Daniel Largé
Am Klavier
  • Michael Wagner
    Regie
  • Daniel Largé
    Am Klavier

Besetzung

Thomas Schröter
Fürst Lew Nikolajewitsch Myschkin
Annika Bentele
Nastassja Filippowna Baraschkowa
Annika Semmler
Nastassja Filippowna Baraschkowa
Annika Roth
Aglaja Iwanowna Jepantschina
Alexander Zamzow
Parfjon Semjonowitsch Rogoshin
Zonga Tjong
Generalin Lisaweta Prokofjewna Jepantschina
Andreas Protte
General Iwan Fjodorowitsch Jepantschin
Franziska Wirth
Afanassij Iwanowitsch Tozkij / Doktor Schneider
  • Thomas Schröter
    Fürst Lew Nikolajewitsch Myschkin
  • Annika Bentele
    Nastassja Filippowna Baraschkowa
  • Annika Semmler
    Nastassja Filippowna Baraschkowa
  • Annika Roth
    Aglaja Iwanowna Jepantschina
  • Alexander Zamzow
    Parfjon Semjonowitsch Rogoshin
  • Zonga Tjong
    Generalin Lisaweta Prokofjewna Jepantschina
  • Andreas Protte
    General Iwan Fjodorowitsch Jepantschin
  • Franziska Wirth
    Afanassij Iwanowitsch Tozkij / Doktor Schneider

Galerie

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  • DER IDIOT von Dostojewski Galerie 2
  • DER IDIOT von Dostojewski Galerie 3
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Pressestimmen

DER "IDIOT" ALS OPFER DER GESELLSCHAFT
Mit der Theateradaption von Dostojewskis Roman „Der Idiot“ wagte sich das Theater Ensemble im Bürgerbräu-Gelände an schwere Kost. Vor 150 Jahren geschrieben ist der Kultroman mit über 900 Seiten aufgrund vieler Dialoge zum tiefgründigen Steinbruch für Filme und Dramen geworden. Ausdünnen oder besser gesagt verdichten war die Devise von Regisseur Michael Wagner, um die Geschichte des Sonderlings Fürst Myschkin mit sieben Schauspielern und dem Pianisten Daniel Largé packend in zweieinhalb Stunden zu erzählen.
Auf sieben Figuren hat der Regisseur das Personal reduziert; kein Fehler, wenn man die St. Petersburger Gesellschaft in der Mitte des 19. Jahrhunderts vorstellt, in der es weniger um Liebe, als vielmehr um materielle Versorgung und Ansehen geht. Figuren wie der Säufer Timofejewitsch und seine zu verheiratenden Kinder sind dann entbehrlich, wenn ein General Jepantschin, seine Frau Lisaweta und Tochter Aglaja, die unter die Haube gebracht werden soll, in den Mittelpunkt gerückt werden.
Die Regie gibt dem Ensemble auf der kleinen Studiobühne viel Raum für große Gefühle, für deren Echtheit nur Fürst Myschkin das richtige Gespür hat. Nach jahrelangem Aufenthalt in einem Schweizer Sanatorium ist eine Erbschaft in St. Petersburg zu klären, wo Myschkin mit entwaffnender Naivität und grenzenloser Vertrauensseligkeit in einer von Käuflichkeit und krassem Materialismus geprägten Umgebung heillose Verwirrung stiftet. Thomas Schröter verkörpert mit einer reifen Darbietung den an Don Quijote oder die Filmfigur Forrest Gump erinnernden Gutmenschen Myschkin, in dem Dostojewski selbst einen modernen Christus sah, der zum willfährigen Opfer einer verkommenen Gesellschaft wird.
Andreas Potte gibt den pragmatischen General Jepantschin, der eine von Annika Semmler gespielte attraktive Nastassja als Geliebte hat, die ihm der reiche Unternehmer Rogoshin abkauft. Annika Semmler gelingt die Darstellung einer tief verletzten Frau, während ihre Gegenspielerin Annika Roth als naive Aglaja überzeugt. Seltsam von Myschkin angezogen fühlt sich die Generalin Jepantschina (Claudia Tjong). Als skrupelloser Mörder Nastassjas gewinnt Alexander Zamzow als Rogoshin nach der Pause deutlich an Profil. Franziska Wirth komplettiert das Ensemble in einer Doppelrolle als Großgrundbesitzer Tozkij und Doktor Schneider, der mit der erneuten Einlieferung des inzwischen wahnsinnigen Myschkin in sein Sanatorium den Kreis schließt.
MainPost, 4.10.2018 / Felix Röttger

Karten und weitere Infos unter: 0931-44545