DIE MÖWE von Anton Tschechow
Der Sohn einer Schauspielerin, Konstantin Gavrilovič Treplev, möchte Schriftsteller werden und hat ein kleines Theaterstück geschrieben, welches am Abend auf einer Bühne im Garten den Gästen vorgespielt werden soll. Die Hauptrolle spielt dabei seine Geliebte Nina.
Treplev leidet jedoch unter der ständigen Nörgelei seiner Mutter, die sein schriftstellerisches Talent und sein ganzes Leben in Frage stellt. Außerdem hat sie einen Freund, Boris Alekseevič Trigorin, der ebenfalls und bereits sehr erfolgreich Schriftsteller ist. Diesen Trigorin führt sie immer wieder an, wenn sie versucht, Treplevs Vertrauen in sich und seine Arbeit zu schwächen.
Bei der Aufführung von Treplevs Stück kommt es schließlich zum Eklat, Mutter und Sohn geraten in Streit …
Übersetzung: August Scholz
Künstlerische Leitung
Besetzung
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Katharina SchmelterIrina Nikolajewna Arkadina
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Jarno RieferKonstantin Gawrilowitsch Treplew
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Andreas KeßlerPjotr Nikolajewitsch Ssorin
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Annika FörsterNina Michajlowna Saretschnaja
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Herbert HausmannIlja Afanassjewitsch Schamrajew
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Franziska WirthPolina Andrejewna
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Lea Paulina NäderMascha
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Thomas SchröterBoris Alexandrowitsch Trigorin
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Lars PascholdSsemjon Ssemjonowitsch Medwjedenko
Galerie
Pressestimmen
MainPost 8.12.16 von Eva Werner
Seevögel haben es auch immer schwerer, selbst in der Weltliteratur. So erschießt etwa in der „Ballade vom alten Seemann“ von Samuel Taylor Coleridge ein Matrose einen Albatros, zum Entsetzen seiner Schiffsmannschaft, denn einen geflügelten Schicksalsboten holt man nicht einfach mit einer Armbrust vom Himmel.
Ähnlich schlecht ergeht es der Namensgeberin von Anton Tschechows bitterer „Komödie“ „Die Möwe“. Das Würzburger theater ensemble präsentiert jetzt eine griffige Umsetzung eines der meistgespielten Stücke der Weltliteratur.
Konstantin (Jarno Riefer), rebellischer Jungschriftsteller, probt mit seinem neuen Theaterstück den Aufstand gegen die von ihm geschmähte literarische Welt, vor allem aber gegen seine Mutter Irina (Katharina Schmelter), einer gefeierten Schauspielerin.
Gemeinsam mit Nina (Annika Förster), die für sich selbst ein aufregenderes Leben und eine Karriere am Theater erträumt, präsentiert er sein ambitioniertes Werk in einer Privataufführung auf dem Landgut seines Onkels Pjotr (Andreas Kessler).
Der Affront scheint vorprogrammiert, die Mutter fühlt sich in ihrer Schauspielerehre angegriffen, die übrigen Gäste sind gelangweilt oder gar empört. Als sich die von ihm verehrte Nina dann auch noch in den erfolgreichen Schriftsteller Boris Trigorin (Thomas Schröter) verschaut, liegt Konstantins Welt in Scherben.
Innerlich tief verletzt erschießt er eine Möwe und schenkt sie seiner Angebeteten, ein düsteres Vorzeichen auf das weitere Bühnengeschehen, Träume zerbrechen, Menschen scheitern und die Welt verharrt im ereignislosen Stillstand...
Stimmig umgesetzt hat Regisseurin Karolin Benker das melancholische Stück rund um den glücklosen Konstantin und die Frage, was man mit seinem Leben anstellen soll. Humor blitzt an den richtigen Stellen auf, jugendliche Begeisterung stellt sich althergebrachtem Denken und Trauriges bleibt ironiefrei.
Und ein Lob gilt den Darstellern, allen voran Andreas Kessler als munterer Bonvivant Pjotr und Lea Paulina Näder als spröde, alkoholselige und gleichsam auch unsterblich verliebte Mascha.
BESTECHENDES, DIFFERENZIERTES SPIEL - Kritik von Simon Hörnig, 4.12.16
Ein Schuss ertönt – alle fahren zusammen. Abseits der Bühne: Nur Nina Michajlowna Saretschnaja und Konstantin Gawrilowitsch Treplew, das tragische Liebespaar von Anton Tschechows Komödie DIE MÖWE.
So weit, so textgetreu, erhöht die Inszenierung von Karolin Benker in der Frage „Mord oder Selbstmord?“ durch eine klare Positionierung subtil die Spannung. Treplews fiebriger Wahn kulminiert in der finalen Begegnung mit seiner verehrten Nina, deren Wandel Annika Förster von schwärmerischer Unbeschwertheit hin zu nihilistisch-dämonischer Verwirrung eindrücklich vollzieht.
In einer Komödie wähnt man sich an dieser Stelle lange nicht mehr – fußt dieses Etikett sowieso eher auf Absurd-Makabrem wie Boris Alexandrowitsch Trigorins „Stoff zu einer kleinen Erzählung“, denn tatsächlich humoristischen Elementen. Anklänge an solche finden sich im augenzwinkernden Spiel Andreas Keßlers, der sich als Pjotr Nikolajewitsch Ssorin mit Lars Paschold, der Personalunion von Lehrer, Arzt und Arbeiter, vereinzelte Scharmützel liefert.
Leise Töne und zarte Erregung sind es hingegen, die Thomas Schröter als Trigorin im Zusammenspiel mit Annika Förster und Katharina Schmelter als Irina Nikolajewna Arkadina zwei der intensivsten Szenen des Stückes wirken lassen.
In der gefühlvollen und nuancierten Plausibilität der einzelnen Charaktere liegt letztlich auch die Stärke der Inszenierung: Ein zehrender Blick, ein lautlos mitgesprochener Monolog, zitternd ein Buch umgreifende Hände. Solche Details, die sich oft abseits des eigentlichen Fokus‘ ereignen, nobilitieren die Darbietung. Die „neue Form“ bleibt flüchtiges Hirngespinst des armen Treplew, man hält es traditionell in Sprache, Form und Kostüm.
Im Fokus steht das Ensemble selbst, welches durch sein differenziertes Spiel besticht, bis in die Nebenrollen ausgezeichnet besetzt ist und durch präzise Produktion und Regie buchstäblich im rechten Licht erscheint.