Lebenszeichen – Vital Signs
Die Amerikanerin Jane Martin erschafft mit jedem ihrer “Lebenszeichen vom unteren Ende der Welt” Momentaufnahmen konzentrierten Lebens:
Ein Reigen menschlichen Scheiterns, Wiederaufstehens und Hoffens. Komisch und kurios, peinlich und grotesk. Seltsam, sonderbar und skurril. Melancholisch, chaotisch, obskur.
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Pressestimmen
FRAUEN AM RANDE DES NERVENZUSAMMENBRUCHS
und der Verzweiflung, die sich in einer Kneipe den alkoholischen Rest geben, hört man ja nicht gerade unbedarft und gerne zwei Stunden beim Schwadronieren zu. Eine originelle Ausnahme bilden da die Damen, die jetzt die Bühne des Würzburger theater ensemble bevölkern. In „Lebenszeichen - Vital Signs“ von Jane Martin schildern sie von, sentimental bewegt bis kreischend empört, ihre ganz eigene Sicht der Dinge.
Acht Frauen (Paula Gomez, Angela Fricke, Janna Müller, Brigitte Weber, Christel Riedel, Annika Förster, Annika Bentele, Franziska Wirth) und ein Barkeeper (Thomas Schröter) treffen, in seelisch unterschiedlichster Verfasstheit, in einer schummrigen Kneipe aufeinander und erzählen sich schlaglichthafte Episoden aus ihren nicht gerade wundervollen Leben, wo schneidige Lexikonvertreter und kurzlebige Leguane schon mal für Abwechslung im tristen Alltag sorgen können.
Der Alkoholpegel steigt, der Ton wird rauher und die Geschichten drastischer, wenn etwa der Schutzbügel der Achterbahn sich nicht schließt, ein durchgeistigter Yogi für ungewöhnliche Bettpartner wirbt und der Job in einem Nackt Truck Stop auch kein rechtes Zuckerschlecken ist. Absurdes wechselt sich mit Drastischem, Banales mit Groteskem.
Regisseurin Karolin Benker inszenierte „Vital Signs“ mit musikalischem Pep, temporeich komisch und auch schon mal berührend melancholisch. Die Darsteller beweisen Mut zur schauspielerischen Kompletterschöpfung und absurden Selbstverfremdung. Das alles macht „Vital signs“ recht originell und drollig in seiner rabiat komischen Derbheit. Hübsch anzuschauen und durchaus kurzweilig, nicht weniger, aber auch nicht mehr. MainPost, Eva Werner 19.3.16
Die Spezies Mensch: „Lebenszeichen“ - witzige bis groteske Collage im theater ensemble Würzburg
Mit „Lebenszeichen – vital signs“ entführte das Stück der Amerikanerin Jane Martin im Würzburger Theater Ensemble die amüsierten Zuschauer in eine irgendwie doch komische Welt der gescheiterten oder ersehnten Lebensentwürfe.
Dass diese peinlichen bis sonderbaren Berichte „vom unteren Ende der Welt“ aus den 80er Jahren stammen, merkte man schon ein wenig an den speziellen Äußerungen, den Problemen und Musiknummern. Regisseurin Karolin Benker hat daraus eine witzige bis groteske Collage aus kleinen Spielszenen gemacht, sie mit ein paar aktuellen Anspielungen etwa auf heutiges Einkaufsverhalten bei einer Wutbürgerin aufgeladen und alle zehn Mitwirkenden in einen Spielrausch versetzt; dabei sind ihr sonderbare, skurrile Persönlichkeitsbilder gelungen, die eines gemeinsam haben: den Zorn auf die Väter- oder Elterngeneration.
Da gibt es dann einen Impotenten mit Persönlichkeitsverlust, der aber seine Nachkommen auf dem Spielplatz im Zaum halten muss, ein Psychiater wird zu einem wilden Barkeeper umfunktioniert, eine Hausfrau wird zur gnadenlosen Geschäftsfrau, ein hippes Untergrund-Girl wandelt sich später zur Spiderman-Kopie, eine nicht erleuchtete Heilssucherin aus dem Ashram begibt sich auf Männersuche, eine Weltverbesserin im Overall hat Angst, eine überspannt vergeistigte EnzyklopädieFetischistin hat die Wirklichkeit aus den Augen verloren, eine handfeste Realistin ist nur desillusioniert. Am meisten Schmunzeln ruft eine Party-Zulieferin durch ihre trockenen Bemerkungen hervor, ein einsames Herz hinter der Bar, das trotz aller Enttäuschungen allen ihren Männern dankt und am Schluss fragt, ob sie jemanden vergessen hat.
Eine chaotische Kombination zum Lachen, die aber auch melancholische und nachdenkliche Seiten hat über die Spezies Mensch in all ihren seltsamen Ausprägungen.
Renate Freyeisen, Leporello
Am Ende siegt die Melancholie - LEBENSZEICHEN-Vital Signs von Jane Martin
“Licht!”
Ein Mann im Gin-Glitzer-Outfit betritt die Bühne. Das Stück “Lebenszeichen” beginnt mit einem energetischen Tanz. Der Tänzer stellt sich als Barkeeper heraus, ein einfühlsamer Hobby-Psychoanalytiker.
Karolin Benker wählt in ihrer Inszenierung der Monologsammlung “Lebenszeichen” von Jane Martin die Bar als Symbol für den frustrierten und fatalistischen Blick auf das eigene Leben.
Jane Martin gelingt es in kurzen, humorvollen Texten Figuren zu schaffen, in deren Leben der Zuschauer eintaucht. “Ich habe jedem so ein grundpsychologisches Problem gegeben…”
Sexuelle Frustration, Einsamkeit, Depression, Unterdrückung durch Geschlechterkonventionen, Loosertum, und die eigene Unfähigkeit eine ehrliche Beziehung einzugehen bringt Karolin Benker im theater ensemble Würzburg mit Humor und Tragik auf die Bühne. Die Ambivalenz der verschiedenen Geschichten und Perspektiven machen das Stück schnelllebig und abwechslungsreich.
Die Bühne wird im kleinen Theater zur schummrigen Bar, mit wenigen Mitteln, aber originell ist der Raum gestaltet.
Eine barocke Tapete, ein kleiner Tisch für zwei, eine improvisierte Bar. Hier geschieht vieles, eine kitschig-ironische Darbietung von “You Are Beautifull” (Christina Aguilera) die im krassen Kontrast steht zu den Verwicklungen der eigenen Ängste und schlechten Erfahrungen in Sachen Beziehung, oder die traurige Geschichte von einer Frau (Angela Fricke) die eine enge Freundin im Looping einer Achterbahn verliert weil die Sicherungsmechanik versagt.
Duke Pharsee, dargestellt von Andreas Keßler, traut sich und gesteht der Auserwählten seine Liebe, “Bis jetzt musste ich immer auf gut Glück lieben (…) Du hörst zu, also kann ich mich ernst nehmen, also kann ich dich ernst nehmen, also höre ich zu.”
Dieser Moment könnte ein Höhepunkt sein in dem schwer greifbaren Erzählmuster, ein Funke Hoffnung auf Heilung der im gleichen Moment brutal zerschlagen wird durch die ständig überschäumende, münchhausenhafte Mc Kensy, welche von Paula Gomez dargestellt wird.
Sieben Frauen und zwei Männer teilen ihre Geschichten mit den, an diesem Abend, wenigen Zuschauern. Eine kämpferische Rede von Annika Förster die sich als Frau unterdrückt und in den Wirren des gesellschaftlichen Geschlechter-Dogmas eingeengt fühlt. Annika Förster zeigt hier in ihrem erst zweiten Stück als Darstellerin eine mutige, aggressive Spielweise voller Wildheit und sprudelnder Energie. Christel Riedel als Ilona versinkt in der zweiten Hälfte des Stückes immer weiter hinter der Bar. Ein Glas in die Luft haltend, zählt sie alle ihre ehemaligen Liebhaber auf.
Die Entwicklung der einzelnen Charaktere ist oft schwer nachzuvollziehen, grobe Szenenübergänge mögen manchmal etwas irritieren verleihen der Thematik aber auch ein gutes Stück Nachdruck. Am Ende siegt wohl die Melancholie könnte man meinen, doch die Inszenierung ist mit einer ordentlich Portion Ironie ausgestattet und schafft so den Ausgleich.
Viel Energie, Körpereinsatz, Spontaneität und Spielfreude ermöglichen einen tragikomischen Abend der den ein oder anderen auch mal an die eigenen grundsätzlichen Probleme und Ängste führen mag.
Der frische, collagenhafte Charakter der Inszenierung fordert die aktive Teilnahme der Zuschauer, wer die Inszenierungen des theater ensemble kennt, weiss das zu schätzen.
Von Felix Heil, 19.05.2016